Lenkkopflager
Kompendium BMW K100RS 16V/ K1/ K1100
Einleitung
Dieses Kompendium beinhaltet eine Anleitung und nützliche Hinweise für
den Austausch und Einstellung des Lenkkopflagers an einer K100RS 16V.
Prinzipiell kann diese Anleitung auch auf andere BMW Motorräder mit einem 320/28
Lager und oberen Einstellring mit 0,75
mm Gewindesteigung angewendet werden.
Das Reparaturverfahren ist nicht identisch mit den originalen BMW
Werksvorgaben, jedoch in einzelnen Abschnitten stark an diese angelehnt. Ziel dieser Anleitung ist es dem Anwender
eine alternative und reproduzierbare Reparaturanleitung zu bieten, mit
geänderten/ angepassten Einstellwerten für die Lagervorspannung.
Diese Anleitung wurde nach besten Wissen und Gewissen erstellt und u.a. exklusiv
für flyingbrick.de zur Verfügung gestellt. Diese Arbeiten erfordern ein hohes
Maß an technisches Verständnis, einen sauberen Arbeitsplatz, geeignete
Werkzeuge und gute handwerkliche Fähigkeiten.
Bei einer unsachgemäßen Reparatur kann nicht nur das Lager einen
vorzeitigen Schaden erleiden, sondern es besteht auch die akute Gefahr das
Fahrverhalten negativ zu beeinflussen. Als Folge davon können Fahrwerkspendeln
oder Lenkerflattern auftreten, im ungünstigsten Fall besteht sogar eine
potenzielle Unfallgefahr.
Sollte sich jemand nicht sicher sein ob, er diese Arbeiten ausführen kann,
oder nicht über die notwendigen Werkzeuge verfügt, wendet er sicherheitshalber
an einen erfahrenen Helfer.
Der Autor dieses Kompendiums übernimmt keinerlei Garantie oder Haftung
für die vom Anwender durchgeführten Arbeiten. Bei Reparaturarbeiten ist jeder
einzelne der sie durchführt für die Sicherheit und Qualität seiner
Reparaturmaßnahme selber verantwortlich.
Ausbau
der Lager
Der Ausbau der Gabelkomponenten erfolgt nach den Angaben im
Werkstatthandbuch. Wir beginnen mit dem oberen Einstellring. Das Lager soll mit
einem Dorn von oben herausgeschlagen werden. Der Einstellring liegt dabei auf
den Schraubstockbacken auf.
Das geht natürlich wesentlich eleganter wenn man von unten eine Hülse
oder ½“ Nuss (kleiner 28 mm Außendurchmesser) mit dem Einstellring verschraubt.
Das kann man dann so mit der Nuss in den Schraubstock einspannen und ohne
Gefahr des Verzuges das Lager heruntertreiben. Die Kraft geht dann nur über den
Innendurchmesser und nicht die Ränder des rund 66 mm großen Einstellringes.
Als nächstes entfernen wir das Lager auf der unteren Gabelbrücke. Das
Handbuch schlägt vor, mit einer Presse das Lenkrohr
ca. 5 mm hineinzudrücken und danach wieder zurück. Das Lager soll dann mit
Schraubendrehern abgehebelt werden. Hab das einmal so
gemacht, nie wieder…
Das wäre eine alternative Möglichkeit das untere Lager zu entfernen. Der
Vorteil hier, man benötigt keine Presse.
Vereinzelt findet man auch solche Bohrungen. Das ist zwar praktisch,
allerdings rate ich davon ab derartige Bohrungen in diesem Bereich zu
platzieren.
Also so bitte nicht…
…es existieren Bilder von gebrochenen Gabelbrücken wo zu erkennen war,
dass die Bruchstelle von einer dieser Bohrungen ausging.
Im nächsten Schritt werden die Lagerschalen aus dem Rahmenkopf gezogen.
Hierbei ist es wichtig, dass die
Lagerschalen nicht verkantet ein- oder ausgebaut werden. Ein Montierhebel oder ein Dorn ist hier nicht geeignet.
Entweder verfügt man über das originale Spezialwerkzeug…
…oder hat etwas Ähnliches zur Hand wie auf den folgenden Bildern gezeigt
wird.
Sind alle Lager und Lagerschalen entfernt erfolgt im nächsten Schritte
die Prüfung aller Lagersitze und eine penible Reinigung aller Bauteile.
Hier bietet sich auch mal die Gelegenheit das Rahmenrohr von innen von
Korrosion und Schmutz zu befreien. Jeder noch so kleiner Schmutzpartikel der
den Weg zur Lagerstelle findet wirkt sich negativ auf die Lebensdauer des
Lagers aus. Vorher die 4 Sechskantschrauben des Verkleidungshalters soweit
lösen, dass im Rahmenrohr keine Gewinde vorstehen.
Die Lagersitze dürfen nicht
bearbeitet werden,
lediglich reinigen. Sollte aus irgendwelchen Gründen ein Lagersitz mit einer
Macke versehen worden sein, bitte nicht mit Schmirgelpapier entfernen. Der
Metallgrat sollte punktuell z.B. mit einem Dremel
entfernt werden. Aber wirklich nur punktuell.
Ich habe mir erlaubt dem Lenkschlossring bei der 16V oben eine Phase
anzuschleifen. Das verbessert den Kontaktpunkt für die verwendeten
Ausziehwerkzeuge zukünftig.
Jetzt werden alle Teile, einschließlich Rahmenrohr mit Lagersitzen
gründlich gereinigt. Bremsenreiniger und Pressluft sollte zur Verfügung stehen.
Auch der Arbeitsplatz/ Werkbank muss gereinigt werden. Jegliche Verunreinigung
im Bereich der Lager und Lagersitze verursachen später im Betrieb und bei der
Einstellung des Lagers Toleranzen.
Auswahl
der Lager
Bei dem verwendeten Kegelrollenlager handelt es sich um ein Standardlager
mit den Dimensionen 28x52x16, in mm. Diese Lager werden von verschiedenen
Herstellern zu unterschiedlichen Preisen auf dem Markt angeboten.
Bislang wurde BMW mit Lagern der Firma SKF oder FAG beliefert. Die alte
Bestellnummer (07119985070) hat sich aber seit kurzem geändert. Auf Anfrage
stellte sich heraus, dass hinter der neuen Teilenummer sich ein Lager der Firma
NTN verbirgt. Hierbei handelt es sich um einen japanischen Zulieferer.
Abraten kann ich nur von der Verwendung von Lagern mit der Bezeichnung
SSW901. Diese werden oftmals über den freien Markt aus China importiert und
bekommen hier in Europa dann einen anderen Namen, meist den Namen des
Importeurs.
Diese Lager tragen die Bezeichnung HR320/28 XJ auf der Lagerschale, was
zwar identisch ist mit dem Lager des japanischen Herstellers NSK, jedoch sind
dort keinerlei Herstellernamen eingeprägt. Zunächst fällt das erst mal nicht
weiter auf, ich hatte ein solches Zubehörlager eine Saison lang verbaut. Bei
einer Routineprüfung war aber eine Beschädigung an der oberen Lagerschale durch
Überlastung festzustellen. Bestellt wurde dann ein weiteres Lager mit der
Bezeichnung SSW901.
Hier auf dem Bild gut zu erkennen, die Beschädigung an der linken
Lagerschale. Das Lager hat ca. 7000 km gelaufen. Ein Einrasten war aber bei
eingebauter Gabel und Vorderrad noch nicht spürbar und der Schaden wurde in
einer Routine Wartungsarbeit über die Wintersaison festgestellt.
Im nächsten Schritt wurde ein neues Lager verbaut. Da ich zu diesem
Zeitpunkt noch nicht alle Informationen über Hersteller und Qualität vorliegen
hatte, wurde ein weiteres SSW901 bestellt. Bei den folgenden Versuchen eine
reproduzierbare Werkstattanleitung zu erstellen kam dann einiges zum Vorschein.
Das Lager hat eine ungenaue Oberfläche. Als Resultat daraus wurden
Reibwertschwankungen bis zu 0,5 Nm festgestellt. In
dem nachfolgenden Bild habe ich mal das Tragbild der
unteren Lagerschale gekennzeichnet.
Die Lagersitze sind absolut rund und die Lagerschale wurde gleichmäßig in
ihren Sitz gezogen. Weiterhin habe ich mir dann das alte Lager genauer
betrachtet und mit den restlichen defekten Lagerschalen in meinem Teilefundus
verglichen. Bei der Chinakopie tragen die Kegel trotz Vorspannung und ca. 7000
km Laufleistung nicht optimal.
Die Abdrücke der Kegelrollen sind über die Lagerschale verteilt sehr
unterschiedlich. Mal kürzer, mal höher und mal tiefer. Ein derartig ungenaues Tragbild konnte ich an den Markenlagern nicht feststellen.
Fazit: Finger weg von diesen Billiglagern
aus China
Der Markt bietet momentan vier Markenlager. Bis auf das NSK Lager hat BMW
alle die nachfolgend genannten Lager im Programm bzw. im Programm gehabt.
Allerdings gibt es bei der Betrachtungsweise der Lagerqualität noch die
statisch Tragzahl. Diese wird in den jeweiligen
Katalogen der Wälzlagerhersteller angegeben und dient den Konstrukteuren als
Grundlage für die Lagerdimensionierung und der Lebensdauerberechnung.
Aus maschinenbautechnischer Sicht hat das Lager mit einer höheren
statischen Tragzahl eine längere Lebensdauererwartung
bei gleicher Beanspruchung.
Hier mal eine Auflistung der verfügbaren Lager:
·
SKF 320/28 X/Q Tragzahl statisch 38000 N
·
NSK HR320/28 XJ Tragzahl
statisch 39000 N
·
FAG 320/28-X Tragzahl statisch 40000 N
·
NTN 4T-320/28X Tragzahl statisch 40500 N
Normalerweise bevorzuge ich Lager von FAG. Aufgrund der Verfügbarkeit aber
habe ich mich jetzt für ein Lager von NSK entschieden. Wie auf dem Bild gut zu
erkennen ist, gravieren Markenhersteller ihre Firmennamen immer auf die
Lagerschalen.
Auch schön zu erkennen ist die Lagerbezeichnung, diese ist identisch mit
den Fernostkopien. Wie sich das Lager aber über die nächste Zeit verhalten wird
ist jetzt natürlich noch ungewiss. Aber dieses Lager läuft rund und verursacht
keine Reibwertschwankung bei der Einstellung.
Lager
Einbau
Beim Einbau der neuen Lager gilt es drei Dinge unbedingt zu beachten:
·
Absolute Sauberkeit
·
Lagerschalen nicht verkantet einbauen oder einschlagen
·
Sicherstellen, dass alle Lager sich gesetzt haben und 100% in ihrem Sitz
sind
Das ist wichtig für das spätere Einstellverfahren, je mehr sich ein Lager
noch setzen kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit dass der Reibwert, also die Vorspannung sich später verringern.
Beginnen wir mit dem oberen Einstellring. Das Lager wird mit einem neuen
Staubring auf den Einstellring gepresst. Alternativ kann das Lager aber auch
auf ca. 80° C mit einem Heißluftfön erwärmt werden und wird dann aufgesetzt. Bitte
unbedingt darauf achten, dass durch den Pressvorgang das Gewinde am
Einstellring nicht beschädigt wird. Ich verwende immer eine entsprechende Nuss
und eine Hülse bzw. den Lagerring des Rollenlagers.
Der Staubring darf sich danach nicht mehr bewegen lassen. Nachdem das
Lager abgekühlt ist bekommt es noch zwei/ drei Setzschläge. Also wird die Nuss
mit dem Einstellring auf eine stabile metallische Oberfläche gestellt (z.B.
Amboss, Schraubstock) und mit einer geeigneten Hülse und einem Hammer das Lager
auf dem Einstellring nachgesetzt.
Im nächsten Schritt wird das Lager auf der unteren Gabelbrücke montiert.
Auch hier wird das Lager zuvor auf 80°C mit dem Heißluftfön erwärmt.
Bevor das erwärmte Lager aufgeschoben wird, muss noch ein neuer
Staubring montiert werden. Ähnlich wie beim Einstellring wird das Lager nach
der Abkühlungsphase mit einem geeigneten Rohr und passender Hülse dazwischen
mit zwei/ drei Hammerschlägen gesetzt.
Wichtig:
Beide Lager müssen nach erfolgter Montage mit Bremsenreiniger und
Pressluft gründlich gereinigt werden. Das ist wichtig für die weitere
Vorgehensweise. Das Fett darf erste nach erfolgreicher Einstellung und
Positionierung der Einstellmarkierung am Einstellring aufgetragen werden.
Beim Einbau der Lagerschalen im Rahmenrohr ist es wichtig, dass die Lager
nicht verkantet eingebaut werden. Das Eintreiben mit einem Dorn oder ähnlichen
Gegenständen ist völlig ungeeignet, zumal die Lagerschale sich dadurch
verziehen kann. Bei BMW gibt es ein Einziehwerkzeug womit die Lagerschalen
gerade hineingezogen werden.
Alternativ dazu habe ich mir ein Werkzeug angefertigt, womit zum einen
die Lagerschale eingezogen wird und zum anderen auch gleichzeitig die
Lagerschale mit einem Hammerschlag gesetzt werden kann. Das Werkzeug trägt
sauber auf der oberen Fläche des Lagerringes und wird auch gleichzeitig
zentriert.
Die Lagerschalen werden so gerade in ihre Sitze gezogen. Es besteht keine
Gefahr dass die Lagerschale verkantet wird.
Nach der Montage aller Lager und Lagerschalen werden jetzt die gereinigten
Lagerschalen im Rahmenrohr geringfügig mit dünnem Öl benetzt. Ich verwende
hierzu Gabelöl.
Zusammenbau
der Lenkkopflagerbaugruppe
Das Lenkrohr mit der unteren Gabelbrücke wird
jetzt von unten in den Rahmen eingesetzt und der Einstellring vorsichtig von
Hand beigezogen. Das Feingewinde muss sauber und leichtgängig sein, ansonsten
wären die Toleranzen bei den geringen
nachfolgenden Anzugsmomenten zu hoch.
Die Gabelbrücke wird nach rechts an den Anschlag gedreht und wie im Bild
zu sehen mit Klebeband versehen. In dem Einstellring wird das Konterrohr mit
Kontermutter verschraubt und die Mutter beigezogen. Dabei ist zu beachten, dass
das Konterrohr im Einstellring genügend Abstand zum Lenkrohr
haben muss.
Jetzt wird der Einstellring mit ca. 20 Nm
festgezogen, mehrfach die Lenkung von Anschlag zu Anschlag bewegen und mit
einem Kunststoffhammer sowohl von oben als auch von unten Setzschläge auf das Lenkrohr geben. Danach wird der Einstellring wieder gelöst
und das Lager kann wie später beschrieben eingestellt werden. Die Einstellung
erfolgt dann ohne weitere Komponenten wie Gabelrohre oder obere Gabelbrücke.
Der BMW Einstellring 31 4 890 wird bei meinem Verfahren nicht benötigt.
Technische
Betrachtung des Lenkkopflagers
Einleitung
Mit der Veröffentlichung einer TSI aus 1992 hat BMW das Einstellverfahren
des Lenkkopflagers aller K-Modelle mit 0,75mm Gewinde Einstellschraube vereinheitlicht.
Die Vorspannung am Lager soll mit 12 Nm Anzugsmoment
am Einstellring eingestellt werden. Als Begründung nannte BMW in dieser TSI,
dass vermehrt Lenkerflattern beanstandet wurde. Die nachfolgenden
Werkstattinformationen und Handbücher wurden daraufhin größtenteils geändert und
mit dieser Information aktualisiert.
Mir lagen auch Informationen vor, dass dieser Wert im Rahmen einer TSI
auf 3,5 Nm wieder reduziert wurde, allerdings konnte
ich eine derartige TSI nicht finden. Auch
gab es innerhalb flyingbrick.de Meinungen, dass der Drehmomentwert von 12 Nm gefühlt zu einer zu hohen Vorspannung der Lagerpaarung
führt und deshalb deutlich geringere Wert in der Praxis angesetzt werden. Das
war auch bislang mein Ansatz und Grund genug die Thematik mal genauer zu
analysieren.
Technisch dient die Vorspannung bei Lagerpaarungen zur Erhöhung der
Steifigkeit und sollte genauestens berechnet werden. Hier liegt jedoch die
Vermutung nahe, dass diese Maßnahme eher dazu diente, die Reibung im Lenkkopf zu erhöhen und somit auf Kosten der Lebensdauer
eine Lenkungsdämpfung zu erzeugen.
Nullstellung
und Vorspannung:
Zunächst einmal habe ich die Position des Einstellringes ermittelt, wo
die Kegelrollenlager spielfrei mit minimaler Vorspannung in den Lagerschalen
anliegen. Dazu geht man folgendermaßen vor.
Den Einstellring mit Daumen und Zeigefinger drehen bis die Lagerrollen
anliegen. Jetzt die Baugruppe in Lenkmittelstellung bewegen und von dort aus
gleichmäßig auf die Ausgangsposition drehen wie in dem Bild gezeigt.
Dort muss die Baugruppe verbleiben. Nun weiter drehen nach rechts bis zum
Anschlag und gleichmäßig wieder zurück in die Ausgangsposition drehen. Jetzt
muss die Baugruppe von alleine wieder zurückdrehen in den rechten Lenkanschlag.
Tut sie das nicht oder dreht immer in den Anschlag ist an dem Einstellring
stückweise die Vorspannung zu verändern bis es funktioniert.
Der Trick hierbei ist die minimale Verspannung der Kegelrollen in ihrer Bahn.
Beim herumdrehen nach rechts hält diese Verspannung die Baugruppe dort wo sie
sich befindet und beim Drehen vom Anschlag zur Ausgangsposition gibt sie den
kleinen entscheidenden Impuls zum Zurückdrehen.
Es sollte hier klar sein, dass das nur funktioniert mit einer definierten
Position des Lenkeinschlages und eine definierten Masse der Baugruppe, also
ohne Gabelkomponenten. Das Motorrad steht dabei auf dem Hauptständer mit
Wagenheber unter dem Motor. Wurde die „Nullposition“ gefunden wird diese jetzt
mit einer Markierung auf dem Einstellring versehen.
Parallel dazu habe ich das auch mit Drehmomentwerten und nach Gefühl
versucht zu finden. Von Hand klappt das auch recht gut, erfordert aber sehr
viel Feingefühl. Die Anzugsmomente lagen bei allen Versuchen zwischen 0,5 und
1,0 Nm. Hierbei gilt es zu beachten, dass bei so geringen Werten die Toleranzen
und Reibung innerhalb der Verschraubung das Ergebnis beeinflussen.
Danach habe ich den Einstellring mit 12 Nm wie
im WHB beschrieben befestig. Dabei stellt sich ein Drehwinkel von ca. 50° ein.
Bei einer Gewindesteigung von 0,75 mm pro Umdrehung ergeben sich 0,021 mm
Vorspannung je 10° Drehwinkel. Bei ca. 50° währen das rund 0,1 mm Vorspannung
(rein hypothetisch). Der resultierende Reibwert kommt
dabei mit rund 1 Nm einem versteckten Lenkungsdämpfer
gleich. Eine Lagervorspannung im Bereich
0,02-0,03mm sind aus maschinenbautechnischer Sicht völlig ausreichen, zumal das
Lager keine Drehzahl erfährt und somit auch nicht mehr großartig sich setzt
oder einläuft.
Ich habe dann den Einstellring mit 6 Nm angezogen.
Der Reibwert lag bei ca. 0,6 Nm
und ca. 25° Drehwinkel vom Nullpunkt aus gemessen. Von Hand gedreht machte das
schon einen halbwegs brauchbaren Eindruck, aber die rund 0,06 mm Vorspannung sind
immer noch zu viel. Danach wurden noch 3,5 Nm und 5 Nm ermittelt und markiert. Der Bereich zwischen 3,5 und 5 Nm ist gefühlt am besten. Geringe Vorspannung, aber
freigängiges Lager.
Was BMW damit bezwecken wollte ist unklar. Dazu gibt es aber zwei
Gedankenansätze:
1.
BMW geht davon aus, dass nach Montage neuer Lager sich diese noch
erheblich setzten. Ursache könnte hier sein, dass die nur hineingezogenen
Lagerschalen noch nachsetzen und sich nach eine Einlaufphase die
Lagervorspannung in einen akzeptablen Bereich bewegen.
2.
Die durch die enorme Lagervorspannung gemessenen Reibwerte wirken
Lenkungsdämpfend auf Kosten der Handlichkeit.
Kein anderer Hersteller schreibt irgendetwas von Vorspannung und Reibwert im Zusammenhang mit der Lenkkopflager Einstellung.
Es heißt immer spielfrei aber leichtgängig. Bei 12 Nm Anzugsmoment
läuft das LKL hier aber deutlich zu stramm, egal ob dieser Einstellwert nun mit
oder ohne Gabel gemessen wird. Beide Versionen wurden getestet, es ergab keinen
Unterschied.
Aufgrund der Präzision und Lagerlebensdauer ist eine Vorspannung im
Bereich 2-4 Hundertstel mm und den dadurch resultierenden Reibwert
kleiner 0,5 Nm vollkommen ausreichend und gewünscht.
Interessant in diesem
Zusammenhang ist die Reproduzierbarkeit der Messergebnisse mit
unterschiedlichen Werkzeugen und Messmitteln, das gilt für das Ermitteln der
Nullposition genauso wie die Anwendung der unterschiedlichen Drehmomente.
Ziel dieses Kompendium ist es, eine reproduzierbare Werkstattanleitung zu
erstellen ohne Eventualitäten oder Toleranzen durch unterschiedliche Gefühlsempfindungen
die das Ergebnis verzerren.
Hier mal ein typisches Beispiel zur Prüfung der Lenkkopflager Einstellung
aus dem Netz. Was dabei rauskommt - weiter unten:
Gabel mehrere Male von Anschlag zu Anschlag drehen
damit Rollen im Lager zurückgedrückt werden und an der Borde des Innenrings
anliegen nun wird die Gabel an einen Anschlag
geschwenkt dann vom Anschlag weg auf halb eingeschlagen positioniert dann
Lenker loslassen, Gabel muss zum Anschlag fallen, danach Gabel zur Mitte drehen
nun Gabel auf halb
eingeschlagen stellen, loslassen, Gabel muss stehen bleiben darf nicht an den
Anschlag fallen.
Sollte Sie Lagereinstellung ändern müssen, Zentralmutter oder Schraube lösen
danach Nutmutter in kleinen Schritten ( halbe Nutbreite ) verstellen danach
Zentralmutter oder
Schraube mit dem gleichen Drehmoment wieder anziehen und wieder prüfen, (
Prüfung nur mit angezogener Zentralmutter oder Schraube durchführen ) sollte
Einstellung stimmen werden die
Klemmschrauben der unteren Gabelbrücke angezogen.
Nach diesen Maßnahmen wird eine Probefahrt durchgeführt sollte die
Lagereinstellung zu fest sein so können Sie mit 30-50 km/h bei ebener Straße
nicht richtig geradeaus fahren, sollten Sie
sich Ihrer Sache nicht sicher sein und meinen es wäre zu lose, so ziehen Sie so
lange an bis Sie bei 30-50 km/h nicht mehr geradeaus fahren können, nun lösen
Sie in Schritten halber
Nutbreite und machen nach jedem Schritt eine Probefahrt, bis es sich bei dieser
Geschwindigkeit einwandfrei geradeaus fahren lässt. LENKUNGSDÄMPFER nicht mehr
montieren. Bei einwandfreier Lagereinstellung erhalten sie ein besseres
Fahrverhalten ohne LENKUNGSDÄMPFER, dieses Teil wird nur benötigt wenn das
Vorderrad abhebt.
Gemessen sieht das so aus - Gabel inkl. Vorderrad wurde montiert, ohne
obere Gabelbrücke und störende Seilzüge. Die Methode funktioniert selbst nach
mehr als 90° Drehwinkel aus der Nullspiel Stellung nicht. Egal was man macht
der Lenker schlägt immer ein. Noch mal kurz in Erinnerung, 0,021 mm Vorspannung
je 10° Drehwinkel, also mehr als 0,18mm Vorspannung.
Zweiter Versuch - Rad raus. Nach ca. 60-65° Drehwinkel des Einstellringes
vom Nullpunkt aus verhält sich die Lenkung halbwegs wie beschrieben, aber nicht
reproduzierbar. Die daraus resultierende Vorspannung würde oberhalb der im WHB
beschriebenen und mittlerweile reduzierten Angabe liegen. In Zahlen bedeutet
dies größer 15 Nm Anzugsmoment und rund 0,12 mm
Vorspannung auf das Lager.
Zusammengefasst – keine definierte Masse, kein zugeordneter Motorradtyp.
Da kommt bei jedem ein anderes Ergebnis bei heraus. Das ist so nicht anwendbar,
in unserem Fall würde das Lenkkopflager viel zu stramm eingestellt sein um
diese Prüfmethode zu bestehen.
Lenkkopflager
Einstellung
Kommen wir von der technischen Betrachtung zur Einstellung der
Lagervorspannung. Hierzu können zwei unterschiedliche Methoden angewendet
werden.
Einstellung
nach Anzugsmoment
Der Einstellring wird mit 3,5 -
4,0 Nm angezogen und die Markierung für dieses
Anzugsmoment auf dem Einstellring gesetzt.
Der Drehwinkel am Einstellring würde bei 3,5 Nm
ca. 20° betragen, was wiederum eine Vorspannung von ca. 0,04 mm beträgt und ein
Reibwert von ca. 0,5 Nm
ergeben würde.
Einstellung nach Drehwinkel
Vom ermittelten „Nullpunkt“ wird der Einstellring ca. 20° vorgespannt.
Gemessen am Einstellring mit einem
Durchmesser von 66 mm resultiert bei 20° Drehwinkel ein Bogenmaß von rund 12 mm
an der Außenkante des Einstellringes. Das Lager hätte dann ca. 0,04 mm
Vorspannweg und wäre somit gut eingestellt.
Finalisierung
Nachdem die Markierungen gesetzt wurden wird der Einstellring entfernt
und beide Lager mit geeignetem Fett gefettet. Keine Sorge beim Entfernen des
Einstellrings, die Markierung ändert sich nicht durch das erneute Ansetzen des
Einstellringes.
Der Einstellring wird nachdem die Lager gefettet wurden wieder
aufgeschraubt und in die markierte Position gedreht. Nach dem Entfernen der
Kontermutter wird jetzt das Konterrohr mit 65 Nm im
Einstellring befestigt.
Wichtig
Die Markierung am Einstellring darf sich beim Befestigen des Konterrohres
nicht verändern, ggf. mit geeignetem Werkzeug den Einstellring festhalten.
Das Lager und die notwendige Lagervorspannung wurden somit eingestellt
und die Gabelbaugruppe kann nach Werkstatthandbuch komplettiert werden. Eine weitere
Einstellung ist danach nicht mehr erforderlich.
Das Anzugsmoment des Konterrohres im Einstellring verringert die
Vorspannung des Lagers um ca. einem halben Hundertstel, bedingt durch das Spiel
im Feingewinde. Die gemessene Reibwertdifferenz betrug dabei ca. 0,1 Nm, also zu vernachlässigen.
Einstellung
an meiner K1100RR
Nachdem meine K1100RR rund 850 km reinen Rennstreckenbetrieb in 2016
absolviert hatte, gab das zuvor verbaute SKF Lager den Geist auf.
Schön zu sehen sind die linienartigen Druckstellen, welche schon mit dem
Fingernagel leicht zu spüren waren.
Die Druckstellen liegen am oberen Lager nach vorne, am unteren Lager nach
hinten. Dies ist ein typisches Belastungsbild durch heftige Bremsmanöver, evtl.
mit Schlägen. Auch typisch ist die höhere Belastung beim Bremsen auf dem oberen
Lager im Vergleich zu dem unteren Lager.
Das SKF Lager wurde bei der Montage im Winter 2015/ 2016 mit 5 Nm vorgespannt. Als Ersatz wurde ein FAG Lager verbaut und
mit nur 1 Nm vorgespannt, praktisch nur „spielfrei“.
Wie sich das Lager verhält im Laufe der kommenden Saison ist abzuwarten,
jedenfalls ist somit erstmal die zusätzliche Kraftkomponente durch die
Lagervorspannung nicht mehr gegeben.
Fazit
Im Zeitalter moderner Reifen sehe
ich keinen Grund ein Lenkkopflager dazu zu missbrauchen zusätzliche Reibkräfte als
Lenkungsdämpfer zu nutzen. Aus meiner Sicht können alle Drehmomentwerte
zwischen 12 Nm und 0 Nm
eingestellt werden.
Eine Erhöhung der Vorspannkraft bewirkt unbestritten eine gewisse
Steifigkeit gegenüber nicht vorgespannten Lager/ Wellenpaarungen, erhöht aber
gleichzeitig die permanent statisch wirkende Kraft auf die Lagerpaarung. In dem
speziellen Fall dieses Lenkkopflagers konnte aber kein Nachteil festgestellt
werden, wenn die Vorspannung gegen Null eingestellt wird, auch nicht im
Rennstreckenbetrieb.
Schmierung
Für die Schmierung des Lenkkopflagers können alle modernen
hochbelastbaren und druckfeste Wälzlagerfette
verwendet werden. Das im Handbuch empfohlene Shell Retinax
A ist nicht mehr verfügbar und wurde durch andere Produkte ersetzt.
Einige verwenden Lithium verseifte Wälzlagerfette direkt vom
Lagerhersteller und andere greifen auf Produkte von Castrol
oder Würth zurück. Ich verwende das etwas zähe weiße Mehrzweckfett IV von
Würth. Hierbei handelt es sich um ein hochbelastbares synthetisches
Wälzlagerfett. Das klassische Molykote hatte ich auch
schon im Einsatz
Fettnäpfe aus der Gründerzeit gehören entsorgt. Einige haben da bestimmt
noch Vorräte aus den 80er Jahren im Bestand. Zum einen haben diese
Schmierstoffe nicht mehr ihre Eigenschaften und zum anderen sind sie meist mit
Schmutz kontaminiert, also weg damit.
Viel Erfolg beim Einbau…